Fehler 3: ab in die Werkstatt - mirko-schwäblein.de

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Fehler 3. Sie bringen ihr Fahrzeug sofort in die Werkstatt...

… und überlässen dieser die Schadenabwicklung. Auf dem ersten Blick ist eigentlich daran nichts auszusetzen - eigentlich. Schließlich hatten Sie möglicherweise in diesem Autohaus dieses Fahrzeug gekauft, sind treu und brav zu den fälligen Durchsichten dort vorstellig geworden, haben die eine oder andere Reparatur dort durchführen lassen und sind immer nett behandelt worden, weil gute Arbeit für gutes Geld bezahlt wurde. Der Kunde ist König! Doch bei einem Unfall ist plötzlich alles anders. Nachdem Sie Ihr Fahrzeug übergeben haben, interessiert sich die Werkstatt weniger für Ihre Interssen, als für die der regulierenden Versicherung. Die Werkstatt vergisst in dem Fall allzuhäufig, dass der Kunde (als Eigentümer des Fahrzeuges) und nicht die Versicherung, welche lediglich Zahlugspflichtiger und nicht Eigentümer ist, den Auftrag erteilt. Sie allein bestimmen, was mit Ihrem Eigentum passierten soll.



Ein Fallbeispiel: Berlin-Heiligensee am 20.06.2017; Das gesamte Viertel ist Tempo-30-Zone mit gleichrangigen relativ engen Straßen. Der Unfallverursacher hatte es sehr eilig und geriet beim zügigen Rechtsabbiegen in den Gegenverkehr und krachte in der Folge in das Auto meines Kunden. Dieser kannte mich bereits seit Längerem und rief mich noch vor der Bergung des Autos vom Unfallort an, um mich zu fragen, wie denn nun weiter verfahren werden müsse. Er gab mir zu verstehen, dass er das Fahrzeug unbedingt behalten und die Reparatur in der von Ihm gewünschten Werkstatt durchgeführt werden solle. Ich erklärte daraufhin dem Geschädigten, dass er sein Fahrzeug in das Autohaus überführen lassen möchte mit dem Hinweis, dass ich bereits am nächsten Morgen die Besichtigung durchführen



Soweit so gut. Das Auto wurde abgeschleppt. Der Mitarbeiter besagten Autohauses, welcher das Fahrzeug in Empfang nahm, ignorierte jedoch den Wunsch des Halters und bestellte den „Hausgutachter“. Es wurde ihm nicht gesagt, dass dieser Hausgutachter jemand anderes ist und nicht ich. Daher ist mein Kunde einem beinahe folgenschweren Irrtum aufgelaufen. Als ich am Morgen des 21.06.2017 in dem Autohaus vorstellig wurde, gab es angeblich nichts mehr für mich zu tun. Nach einem kurzen Telefonat klärte sich auf, was passiert  war. Der Hausgutachter war bereits da, hatte ein paar Fotos geschossen und das Fahrzeug zum Totalschaden erklärt. Merkwürdigerweise ging aus dem Auftragsformular, wo nur noch die Unterschriift meines Kunden gefehlt hatte, nicht hervor, dass es sich um Herrn XY und nicht um mich handle, wem der Geschädigte den Gutachtenauftrag erteilen würde. Der Hausgutachter hat sein Gutachten wieder zurückgezogen und nicht zur Regulierung eingereicht. Über das in Windeseile zusammengetippte Schriftwerk der Konkurrenz werde ich mich an dieser Stelle nicht weiter äußern.



Was ist passiert? Im Laufe des letzten Jahrzehnts haben sich viele der großen Werkstätten nachfolgendes Geschäftsmodell zurechtgelegt.


1.    Die Versicherungen suggerieren den Werkstätten, dass sie bei relativ jungen Fahrzeugen (bis max. 5 Jahre) und Schäden bis 3000 – manchmal sogar bis geschätzten 5000,- € Reparaturosten kein Gutachten benötigen und sofort eine Reparaturkostenübernahme signalisieren. Das ist selbstverständlich interessant! Denn es kann sofort mit der Arbeit begonnen werden, und die Reparaturrechnung wird zeitnah bezahlt. Die Versicherung spart die Gutachtenkosten. Dabei bedenkt sie aber nicht, dass sie keinerlei Kontrolle über den Reparaturprozess hat. Die Werkstätten können sich regelrecht „austoben“. Mir liegen Fälle vor, bei denen Schäden, die ich mit vielleicht 1.800,- € kalkuliert hätte, mit 4950,- € abgerechnet und bezahlt wurden. Gewinner ist in jedem Fall die Werkstatt. Ich wage noch nicht von Betrug zu sprechen. Na wenigstens wurden ca. 400,- Gutachten „gespart“.


2.     Bei höheren Schäden oder älteren Fahrzeugen, bei denen auf Grund der Erfahrungen der Verantwortlichen in der Werkstatt ein Reparaturschaden vorliegen konnte, wird die regulierende Haftpflichtversicherung informiert, so dass diese Ihren Gutachter schicken möge. Dieser arbeitet selbstverständlich im Auftrag und nach Vorgabe der Versicherung. Der Reparaturweg, welcher durch diesen SV bestimmt wird, dient oft nicht dazu, das Fahrzeug wieder so herzustellen, als wäre dieser Schaden nie dagewesen. Wertminderung und Nutzungsentschädigung fällt auch meistens unter den Tisch. Der Werkstatt ist das egal. Hauptsache die Versicherung zahlt zeitnah. Dabei ist es nicht ausgeschlossen, dass der Versicherungsgutachter das Fahrzeug des Kunden zum Totalschaden erklärt.



3.    Jetzt kommt es aber auch regelmäßig vor, dass ein Werkstattkunde sein Unfallfahrzeug nicht reparieren lassen möchte, sondern nur nach Gutachten abrechnet. Davon hat die Werkstatt aber nichts. In diesem Fall besinnt sich die Werkstatt der freien Sachverständigen. Bleiben wir einmal beim Fallbeispiel. Im besagten Autohaus wird bei fiktiver Abrechnung auf Gutachtenbasis kein Versicherungsgutachter gerufen. Auch der eine „Hausgutachter“ bleibt außen vor. Zu groß  ist das Risiko dass auf Grund seiner handwerklichen Fähigkeiten seine Kalkulation mit deutlich erkennbaren Fehlern behaftet von der Versicherung reklamiert und am Ende der Geschädigte nicht nur unzufrieden mit dem Gutachter sondern auch mit der Werkstatt ist, welche diesen Experten empfohlen hat. Für diese Fälle ruft das Autohaus einen qualifizierteren Sachverständigen aus der Region. Dieser Sachverständige jedoch muss sich den Auftrag erkaufen. Als öffentlich bestellt und vereidigter Sachverständiger ist es mit seinem Erfolg nicht so weit her. Normalerweise haben ÖBV-Sachverständige schon allein deshalb, weil sie ihre Gutachten bereits mit Vorkasse bezahlt bekommen, ein ansehnliches Einkommen. Die Vorkasse dient nicht zuletzt auch dazu, solche Sachverständige materiell unbestechlich zu halten. Als Schiedsgutachter kann man es aber nicht jedem Recht machen. Einer gewinnt und ein anderer verliert. Auch das spricht sich rum. Insoweit muss man als ÖBV-SV nicht damit rechnen, auf Empfehlung Gutachtenaufträge von der Straße zu bekommen. Gerade deshalb bin ich kein ÖBV-SV! Der Preis, den dieser ÖBV-SV an den Mitarbeiter des Autohauses für die Begutachtung eines Kundenfahrzeuges zahlt, ist heute 60,- € bar ohne Rechnung. Abgesehen, dass diese Praxis verboten ist, betrachte ich das Zahlen von Schmiergeldern als unter meiner Würde.


Karosseriereparatur fertig für die Lackierung

4.    Für den Fall, dass von der Werkstatt bereits grob geschätzt ein Totalschaden vorliegen könnte, wird vom dem Autohaus der Lieblings-Hausgutachter gerufen. Warum nicht auch den ÖBV-SV der sonst  die fiktiven Reparaturschäden bearbeitet? Herr XY sitzt im Grunde genommen „um die Ecke“, ist schnell da und wieder weg und nach einer Stunde spätestens fertig. Er kann nicht viel falsch machen. Er schreibt fast ausschließlich nur Totalschäden. Wenn er die Fahrgestellnummer, das Erstzulassungsdatum und den Kilometerstand richtig abgeschrieben hat, eine „aus der Hüfte geschossene“ Kalkulation welche deutlich höher ausfällt, als der durch das System ausgespuckte Wiederbeschaffungswert, und das zusammen mit einer nach Vorgaben einer großen Versicherung produzierten Rechnung abliefert, dann bezahlen die Versicherung anstandslos dieses Schriftwerk. Herr XY schöpft somit den Rahm ab – sichere Totalschäden mit hohem Wiederbeschaffungswert. Wenn man mehrmals am Tag solche Bonbons bekommt, wo man bei jedem einzelnen pro Stunde mehr als 1000,- € abgreift, macht es nichts aus, mit mehreren Hundert Euro Schmiergeld pro Gutachtenauftrag die Maschinerie am Laufen zu halten. Beispielsweise zahlt der „Hausgutachter“ einer Berliner Werkstattkette zehn Prozent von seinem Honorar an die Werkstatt. Es soll sogar Sachverständige geben, die bis zu der Hälfte ihres Grundhonorars als Schmiergeld an die vermittelnde Werkstatt zahlen. Dazu werden sogar regelrechte schriftliche Vereinbarungen geschlossen! Ich selbst halte diese Praxis höchst verwerflich. Sie schadet dem Ansehen des Berufsstandes der Kfz-Sachverständigen und verzerrt den Wettbewerb.


Reparatur abgeschlossen

Unterschreiben Sie niemals einen Gutachtenauftrag, der Ihnen von einer Werkstatt, einem Abschleppdienst oder einem anderen "hilfrichen Dienstleister" vorgelegt wird. Der so beauftragte Gutachter kommt meistens von JWD. Den kennen Sie nicht! Und der hat auch gar kein Interesse daran, Ihre Interessen an der weiteren Verfahrensweise mit Ihrem Fahrzeug zu erfahren oder gar zu berücksichtigen. Und Sie möchten doch Wissen, wer über Ihr schönes Auto ein Gutachten erstellt? Im ungüstigsten Fall sind Sie Ihr Auto los und die Regulierungssumme reicht bei weitem nicht aus, um einen nur annähernd gleichwertingen Ersatz zu beschaffen.

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